Die Festangestellten unter uns werden es wissen: In dieser Woche gibt es mal wieder einen Feiertag, den wir in diesem Fall der feinen Tatsache verdanken, dass vor 22 Jahren aus zwei Deutschlands eins wurde, die meisten nennen das Ganze Wiedervereinigung.
Für den Deutschen Jounralistenverband bietet dieses historische Datum den richtigen Rahmen, um am Wochenende zum Ostdeutschen Journalistentag zu laden. Dem ersten, wie der DJV selbst schreibt, dem ersten nur für Ossis, wie ich meine. Schließlich gibt es viele gute Gründe, Journalisten in Ost- und Westdeutschland fein säuberlich voneinander zu unterscheiden, von denen mir spontan nur leider kein einziger einfällt. Nicht mal die Bezahlung. Wir bekommen ja mittlerweile alle unter Tarif. Und nein, ich werde hier und jetzt kein Wort darüber verlieren, dass dies vielleicht ein wichtigeres Arbeitsfeld für den Verband Deutscher Journalisten sein könnte als die Organisation von Tagen für Ostdeutsche oder Reisen unter der Flagge von Wiesenhof.
Doch zurück zum Ostdeutschen Journalistentag, denn wenn es ihn schon gibt, kann man sich wenigstens kurz fragen, was ihn denn so besonders macht und von seinem westlichen Vetter unterscheidet. Ein Buffet aus Spreewaldgurken wird es wohl nicht sein, auch wenn man im Allgemeinen die Bedeutung von Buffets für den Journalismus ja nicht unterschätzen darf.
Vielleicht vermag das Grußwort dabei weiter zu helfen, welches von Dagmar Reim kommt, Intendantin des RBB – so ostdeutsch, dass man sich für ihre Kollegin vom MDR entschieden hätte, war man dann doch nicht:
„Was bewegt die Menschen in der Lausitz? Welche Trends entstehen gerade in Berlin Neukölln? Worüber redet man diese Woche in Potsdam? (…) Im Spannungsfeld von Stadt und Land, von Ost und West ist eine regionale Identität entstanden, die sich längst nicht mehr allein an Gegensätzen abarbeitet, sondern Gemeinsames betont. Mehr von diesem Selbstverständnis wünsche ich mir für Ostdeutschland als wichtige Region in der Mitte Europas.
Na, das ist doch mal eine versöhnliche Ansage. Bis auf den letzten Satz:
„Der ERSTE OSTDEUTSCHE JOURNALISTENTAG ist ein weiterer Schritt in diese Richtung.“
Ja. Denn wo das Vereinende ist, wächst das Trennende auch. Fragen Sie ihren Dialektiker, wie das zusammengeht.
Zum Glück gibt es ja noch ein Programm, das uns vielleicht etwas mehr Aufklärung verschaffen kann, was den Ostdeutschen unter den Journalisten denn gerade besonders beschäftigt. Wenn ich kurz zusammenfassen darf: Die Wahlen in den USA scheinen eine große Rolle zu spielen, die Finanzierung investigativer Recherchen, Business-Englisch, Vorratsdatenspeicherung, irgendwas mit Gratiskultur – und natürlich die Thematisierung von Rechtsextremismus. Im Westen kann mit sowas natürlich keiner etwas anfangen. Vielleicht hätte Frau Reim mit ihren Kenntnissen über Menschen in der Lausitz, Neukölln und Potsdam dem Ganzen noch etwas Lokalkolorit verschaffen können, doch der RBB fungiert bei der Veranstaltung nur als Grußwort-August, Räumlichkeiten-Steller (übrigens in West-Berlin) und Medienpartner. Wie das Ganze dann zu diesem Bewerbungs-Video führen konnte, wird in seiner Fragwürdigkeit wohl nur dem Gesamtkontext gerecht.
Und das nächste Mal wundere ich mich dann darüber, warum eigentlich auf dem Ostdeutschen Journalistentag fast viermal so viele Männer auf dem Podium sitzen wie Frauen. Schließlich war damals nicht alles schlecht, insbesondere nicht die Sache mit der Gleichstellung der Geschlechter. Aber vielleicht gibt es auch einfach keine richtige Podiumsbesetzung im Falschen. So wird es wohl sein.
2. Oktober 2012
Liebe Frau Wiedemeier,
passend zu Ihrer Beobachtung gibt es ja seit geraumer Zeit auch die Rubrik „Zeit im Osten“ in einer großen deutschen Wochenzeitung. Ich persönlich konnte mit dieser Sparte nie etwas anfangen, weil mir als einem Leser, der mit seinen heute 30 Jahren die Teilung Deutschlands nie wirklich erlebt hat, die Betonung des spezifisch Ostdeutschen als Abgrenzungsmerkmal von was-auch-immer stets ziemlich blödsinnig vorkam, jedenfalls in der heutigen Zeit. (Das spezifisch Westdeutsche scheint dagegen ohnehin eine Selbstverständlichkeit zu sein, eine Rubrik „Zeit im Westen“ gibt es jedenfalls nicht.)
Trotz eigenem Unverständnis war ich schon auf dem Weg, diese Erscheinung als ein anscheinend ostdeutsches Bedürfnis nach Lokalkolorit und regionaler Betulichkeit zu deuten, das mir als gebürtigem Schwaben halt nunmal fremd ist.
Der Ostdeutsche Journalistentag, von dem Sie schreiben, scheint mir ein Phänomen ähnlichen Ursprungs zu sein – das ich persönlich genausowenig nachvollziehen kann, aber, wie mir Ihr Artikel angenehm verdeutlicht, vielleicht ja auch nicht muß. Danke dafür!
Viele Grüße
Moritz Haakh
2. Oktober 2012
Lieber Herr Haakh,
ich fürchte, es ist kompliziert. Denn es gibt ja durchaus Themen, die sich aus der Geschichte des östlichen Teils dieses Landes ergeben und eher die Menschen dort betreffen, aber in den Ur-Westdeutschen Zeitungen kaum Beachtung finden. Dieses Manko führt dann zur Einrichtung von Ost-Ecken, wo dieses Thema generalstabsmäßig angegangen wird – auch um die Leser in Bitterfeld nicht alle kampflos der SuperIllu zu überlassen. Ob das in dieser Weise einem entspannten Einheitsgedanken entspricht, sei dahingestellt, aber immerhin hat man versucht, sich Gedanken zu machen. Beim Ostdeutschen Journalistentag habe ich dieses Gefühl nicht. Da steht ostdeutsch drauf und drin ist irgendwas. Entweder, man nimmt sich des Themas an und untersucht, ob Journalismus in Gera eigentlich anders funktioniert als in Heidelberg und fragt, was man voneinander lernen könnte. Oder, man lässt es halt bleiben, dann aber auch die ganze Veranstaltung. So zumindest meine Meinung.
Viele Grüße
Juliane Wiedemeier
2. Oktober 2012
„Schließlich war damals nicht alles schlecht,…“
Den Spruch kenn‘ ich doch?!
2. Oktober 2012
Genau.
Und wenn die die westlichen JournalistInnen aussperren, dann sind die sicher auch antifeministisch. Vielleicht sogar Fleischesser, Autofahrer. Pffft.
2. Oktober 2012
Für einen ostdeutschen journalistentag spräche tatsächlich einiges. So könnte man fragen, warum ostdeutsche Journalisten in der bundesdeutschen Medienbranche weit stärker marginalisiert sind als Frauen, ohne das dies in ähnlicher Weise problematisiert wird. Selbst die in den neuen Bundesländern erscheinenden Blätter werden in aller Regel von Westdeutschen geleitet und gehören zu westdeutschen Medienkonzernen. Man könnte auch fragen, warum die Berichterstattung über Ostdeutschland häufig bestimmten (westdeutschen) Klischeevorstellungen folgt.
Tatsächlich geschieht dies jedoch nicht und wie Sie selbst im Blogbeitrag schreiben erfolgt auch keine andere Thematisierung spezifisch ostdeutscher Themen. Denn es handelt sich überhaupt nicht um eine Veranstaltung die irgendetwas mit ostdeutscher Identität oder Thematik zu tun hat. Entsprechend ist die Veranstaltung auch nicht für „Ossis only“, sondern einfach für jene Journalisten die, unabhängig von ihrer Herkunft, derzeit in einem geographisch als ostdeutsch definierten Gebiet arbeiten. Erstens gehören sie damit als in Berlin arbeitende Westfälin zur Zielgruppe und zweitens ist der erste ostdeutsche Journalistentag damit keine Spur befremdlicher oder skandalöser als beispielsweise der seit Jahren veranstaltete süddeutsche Journalistentag.
2. Oktober 2012
@Katja K.
Genau das ist doch das Problem: Es gebe ostspezifische Themen, aber die stehen nicht auf der Tagesordnung. Was in Ordnung wäre, würde man nicht in Grußwort und Filmchen genau das versprechen. Ich glaube, der DJV war sich einfach nicht ganz sicher, ob er den Begriff „Ostdeutsch“ jetzt historisch oder geographisch nutzen sollte. Da er sich nicht mit sich selbst geeinigt hat, ist etwas Seltsames dabei herausgekommen.
2. Oktober 2012
Das Video ist natürlich ein Kleinod, wunderhübsch, und wird gewiss viele Journalisten (vor allem junge) anlocken. Zumal: 299 Euro Teilnahmegebühr für Nicht-Verbandsmitglieder – das ist mal eine Hausnummer. Auch dieser Preis wird sicher viele Besucher schwach werden lassen.
Dennoch: es gibt den norddeutschen und den süddeutschen Journalistentag (ich glaube, es gab mal den westdeutschen, oder?), warum nicht einen ostdeutschen?
Lasst sie doch spielen.
Beste Grüße aus … Wandlitz.
2. Oktober 2012
Mit der Abizeitung haben wir es damals nicht in den Bildblog geschafft…
(Sorry, hab grad nichts inhaltlich passendes. Bei der Zeit würde dieser Beitrag also entfernt.)
Grüsse aus Lausanne,
Hannes
2. Oktober 2012
@Hannes
Dabei hätte unsere Abizeitung doch fast so gut ins Bildblog gepasst wie Dein Kommentar unter diesen Text. Den ich im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit dann hier mal stehen lasse.
2. Oktober 2012
[…] kompletten Beitrag mit dem Titel “For Ossis only” gibt es im Blog von Juliane Wiedermeier zu […]
2. Oktober 2012
Gibt ja auch Sportveranstaltungen nur für Homosxuelle. Nur da greift das Argument, nicht gebullied werden zu wollen und nicht die Kraft zu haben, Vorurteile im Alleingang auszuräumen. Bei ostdeutschen Journalisten klingt das irgendwie bizarr. But then, I’m just a rich Wessie…
2. Oktober 2012
Vielleicht sind ja hier eher Himmelsrichtungen gemeint? Gegen einen Süddeutschen oder Norddeutschen Journalistentag hätte sicher niemand was einzuwenden… Aber das Datum dafür ist natürlich äußerst ungünstig, wenn man Ostdeutschland nicht als politischen Begriff mit bestimmter Färbung verwenden will sondern als reine geografische Angabe.
3. Oktober 2012
[…] Wiedemeier schreibt in ihrem Blog zum 30. Oktober:: Für den Deutschen Journalistenverband bietet dieses historische Datum den […]
3. Oktober 2012
Journalistin und im ersten Absatz gleich falsche grammatikalische Artikel verwenden? Kein Wunder, dass es immer weiter bergab geht 😉
4. Oktober 2012
[…] von Juliane Wiedemeier, Journalistin Die Festangestellten unter uns werden es wissen: In dieser Woche gab es mal wieder einen […]
8. Oktober 2012
Mein Gott, was für alberne Befindlichkeiten. Warum soll es keinen ostdeutschen Journalistentag geben? Bei anderen regionalen Journalistentagen würde wohl niemand die Haarspalterin geben. Wenn auch die Kritik berechtigt ist, dass spezielle Ost-Themen im Programm fehlten, so verwundert doch, wie sehr hier nach Identitätshuberei verlangt wird, die – wenn sie denn nachweisbar gewesen wäre – auch nur Anlass zu beißender Kritik gegeben hätte. Ich freue mich, dass die Veranstalter das Selbstbewusstsein hatten, auf ganz „normale“ Themen zu setzen und sich nicht im Ost-Geheule ergingen. Niemand muss (sich) erklären, warum er in Ostdeutschland lebt oder Ostdeutscher ist. Frau Wiedemeier nicht, aber andere eben auch nicht.
Jetzt muss es nur beim nächsten Ostdeutschen Journalistentag auch mal um spezifische Probleme gehen – z.B. die extreme Medienkonzentration im Pressebereich, die (weitgehend fehlende) öffentliche Debatte über den scharfen demographischen Wandel in den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands oder auch das sehr geschickte, vielfältige Medienangebot von Rechtsextremisten. Kleiner Recherchehinweis: Die beiden Veranstaltungen am Freitag fanden in der alten Ost-Mitte statt.
8. Oktober 2012
Natürlich gibt es eine ostdeutsche Identität. Was ist daran verwerflich?
22. Oktober 2012
Ich würds mal mit der Herkunft versuchen. Für eine Organisation ostdeutscher Journalisten spricht natürlich ihre ostdeutsche Herkunft und Geschichte sowie die speziellen Gegebenheiten in Ostdeutschland im ja nach wie vor noch laufenden Prozess der deutschen Vereinigung. Das Ost- und Westdeutschland trotz aller Angleichungen nach wie vor auch große Unterschiede haben, sollte eigentlich auch eine junge westdeutsche Journalistin längst bemerkt haben. Der Fokus auf solche Unterschiede hat sogar sehr viel für sich. Unterschiede sind schließlich auch der Job von Journalisten.